Tradition und Erneuerung
Das Quäkertum bestimmt sich durch das Wechselspiel von Tradition und Erneuerung. Die Erkenntnisse und Erfahrungen der Generationen von Freundinnen und Freunde vor uns sind uns einerseits Verpflichtung und Inspiration. Insbesondere die Verfahren der individuellen und gemeinschaftlichen Entscheidungsfindung und die Arrt wie wir unsere Geschäfte und unser Zusammenleben ordnen, sind über die Jahrhunderte erprobt. Es sind Wurzeln, die uns erlauben, zu experimentieren und zu hinterfragen, ohne den Kontakt zur Geschichte zu verlieren.
Gleichzeitig wissen wir, dass diese Erkenntnisse und Erfahrungen zwar in ihrer Zeit wahrhaftig waren, aber die Geschichte seitdem fortgeschritten ist. Jede Generation von Quäkerinnen und Quäker haben daher den Auftrag, die Erfahrungen der Generationen vor ihnen mit offenen Herzen anzuhören, und dann – der Haltung, nicht den Inhalten verpflichtet – neue Antworten auf die Frage zu finden, was es heißt, Quäker zu sein, was wir sagen können und was wir tun müssen.
Anders gesagt: Jede Generation von Quäkerinnen und Quäkern ist von Neuem herausgefordert, neu zu entdecken und zu erfinden, was bereits gegeben ist. Die ersten Quäkerinnen und Quäker im England des 17. Jarhunderts verstanden sich bereits nicht als Religionsgründer, sondern als Menschen, die zurück zu den Wurzeln des Christentums gehen.
Der Grund für diese Haltung zu Geschichte und Tradition liegt in den Grundlagen des Quäkertums: Wenn jeder Mensch das Göttliche unmittelbar erfahren kann, dann verhindert diese fortgesetzte Offenbarung ein Verkrusten von Strukturen. Das weitergegebene Verfahrenswissen über Arten der Andacht und Entscheidungsfindung ermöglicht eine beständige Aktualisierung der Inhalte dessen, was wir sagen können. Es sind nur Annäherungen.
Das bedeutet auch, dass wir uns auf dem Wirken der früheren Generationen nicht ausruhen dürfen, sondern zu fortwährender Revolution aufgefordert sind: Es gibt noch genug zu tun.